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Die Psychologie der Angst: Kontrolle versus Freiheit

Stell Dir vor Du gehst in der Abenddämmerung in den Wald. Das letzte Licht schafft es nicht mehr durch den dichten Laubteppich der sich über Dir ausbreitet und Dich zu erdrücken scheint. Du kannst kaum noch etwas erkennen; der Gehör- und Geruchsinn versuchen dieses Manko mehr schlecht als recht auszugleichen. Dein Herz schlägt bis zum Hals, Adrenalin verteilt sich im ganzen Körper. Du reagierst auf jedes Geräusch – „Was war das?“. Du fühlst Dich beklommen, versuchst Dir aber nichts anmerken zu lassen, denn es könnte ja sein, dass Du gerade von irgendjemanden oder irgendetwas beobachtet wirst.

Gleiche Situation am helllichten Tag. Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch den Blätterwald und ein angenehmes, warmes Licht überflutet den Waldboden der goldgelb das Licht reflektiert. Wieder ein Knacken. Entspannt schaust Du in die Richtung aus dem das Geräusch kommt und beobachtest ein Eichhörnchen, dass elegant einen Baum hinauf krakselt. Du lächelst „Das ist ja süß!“ denkst du dir und schlenderst entspannt Deines Weges ohne Dir weiter Gedanken zu machen.

Gleiche Location – völlig unterschiedliche Empfindung

Lediglich die Einschränkung unserer Sinne reichen aus, uns die gesamte Situation komplett anders einzuschätzen. Das Angstzentrum im Gehirn, die Amygdala, ist so aktiv wie ein sechsjähriges Kind im Spassbad. Wir rechnen mit dem schlimmsten; ob nun der böse Wolf, einem Serienmörder, der natürlich im einsamen Wald stundenlang in der Kälte rumsteht um auf ein passendes Opfer wie Dich zu hoffen, oder das böse Fabelwesen aus Grimms Märchen.

Die Kontrolle behalten wollen

Das Zauberwort heißt Kontrolle. Wenn Du eine Situation nicht kontrollieren bzw. einschätzen kannst, kommt die Angst zum Vorschein. In einem dunklen Wald weißt Du nicht was Dich erwartet. Wenn sich Dein Leben plötzlich drastisch, ohne Dein zutun ändert, hast du die Kontrolle verloren und somit vermeintlich keine Sicherheit mehr. Dir ist mulmig, weil es nicht läuft wie Du es gedacht oder geplant hast. Da Du nicht weisst was nun kommt, bekommst Du es mit der Angst zu tun. Und die ist die negative Urenergie. Aus ihr entspringen Wut, Hass, Eifersucht, Neid, Gier, Unsicherheit, Verzweiflung und noch so viele weitere Emotionen. All das hat seinen Anfang in der Angst.

Unser Verstand möchte uns schützen und unter allen Umstände die Kontrolle behalten; alles absehen und abschätzen können. Und so kommt es auch, dass wir heutzutage für fast alles Versicherungen haben. Sei es für die Rente, das Fahrrad oder den Allerwertesten eines Promis.

Angst ist fast immer ein schlechter Berater. Zumindest wenn es sich nicht um eine unmittelbar greifbare Gefahr handelt. Vermeintlich schützt sie uns, aber in den seltensten Fällen ist das wirklich nötig.

Wovor hast Du Angst?

Im Leben kann so ziemlich alles passieren was man sich vorstellen kann; wir können unseren Traumpartner finden und dann vielleicht wieder verlieren, Millionen verdienen, unter der Brücke landen, krank werden, mit 80 noch topfit sein, die Erleuchtung finden – alles ist drin. Kannst Du sagen wie es für Dich ausgeht? Im nächsten Jahr? In fünf? Zehn? Sicher? Und genau darum geht es. Wenn Du erwartest, suchst Du Kontrolle.

Wir haben Angst davor schwer krank zu werden, im Alter gebrechlich, alleine zu sein, nicht geliebt zu werden, schlechter zu sein als der Kollege im Nachbarbüro, nicht anerkannt oder gesehen zu werden. Aber warum? Wieso machen wir uns eigentlich immer Gedanken über Dinge, die noch gar nicht eingetreten oder unterm Strich unwichtig sind? Weil wir es bei anderen Menschen gesehen haben. Ständig vergleichen wir uns mit unserer Umwelt und möchten den gesellschaftlichen Normen entsprechen. Oder zumindest unseren penibel zurechtgelegten Plan folgen.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. 

Wenn wir uns von der Angst leiten lassen, hat dies, häufiger als man gemeinhin denkt, ziemlich abgefahrene Konsequenzen. Du hast Angst den Job zu verlieren. Denn dann wärst Du arbeitslos, würdest wahrscheinlich eh keinen neuen Job mehr finden, Dein(e) Partner*in verlässt Dich armen Schlucker, dein Vermieter kündigt deine Wohnung, Du musst Dein Auto abgeben, weil noch soviel Raten offen stehen, du landest in einer Sozialwohnung und stirbst frühzeitig. Ganz alleine.

Also – schnell retten was zu retten ist und lieber unter allen Umständen bei dem Job zu bleiben, auch wenn er gar keinen Spass mehr macht. Denn Du musst Dich jeden Tag verbiegen und eine Rolle spielen, nett zum Chef sein, den Du eigentlich gar nicht leiden kannst.

Genug der Schwarzmalerei. Natürlich kann es auch alles anders laufen. Aber mal ehrlich – ein wenig angespannt ist man ob solcher Gedankenspiele schon ein wenig, oder?

Was tun bei Angst?

Das beste Mittel gegen Angst ist, dieses Gefühl in der konkreten Situation genauer zu betrachten; was löst die Angst aus? Welche Gefühle und Befürchtungen folgen nach dem Vater des Gedanken. Es ist sehr spannend zu beobachten was da so im Oberstübchen vorgeht. Nach dem ersten Anzeichen von Angst, folgen alle möglichen Szenarien, die der Kopf großflächig ausbreitet und alle möglichen Befürchtungen und vermeintliche Konsequenzen aufzählt.

Zu diesem Zeitpunkt ist man schon von dem „Urgedanken“ weit entfernt und hat sich häufig bereits hoffnungslos im Spinnennetz der Gedanken verfangen.

Geh zurück auf Anfang. Alle Befürchtungen sind bestenfalls Hirngespinste. Man überlege – von, sagen wir mal, 20 Gedankenspekulationen kann im Extremfall nur eine eintreten. Vielleicht zwei. Und sollte dies passieren, meldet unser Hirn heroisch „Hab Ichs doch gewusst!“ und blendet die 19 anderen, falschen, Spekulationen im Nachhinein gekonnt aus.

Betrachte die Ursache der Angst genau und lasse dich auf keinerlei Hypothesen deines eigenen Verstandes ein. Du kannst durch Hirngespinste die Zukunft oder Situation nicht kontrollieren oder verändern, aber du kannst im Hier und Jetzt deine Gedanken zur Räson bringen und darauf vertrauen was du in diesem Moment siehst, hörst und wahrnimmst. Alles andere ist reine Spekulation.